1. Ein Dorf stellt sich vor - Teil 1
Anläßlich der Teilnahme unseres Ortes an dem Wettbewerb "Unser Dorf soll schöner werden" soll nachstehend ein kurzer Streifzug durch die Vergangenheit unseres Dorfes unternommen werden. In einem zweiten Teil soll dann der Versuch gemacht werden, Ippensen, wie es sich darstellt, zu beschreiben und damit die Gegenwart unseres Ortes auf zuzeigen.
2. Zur Geschichte und Entwicklung
Nach neusten Erkenntnissen, muß die Besiedelung der Gemarkung schon in sehr früher Zeit begonnen haben. Beim Bau eines Radweges im Jahre 1989 entdeckte man kurz hinter Klein Ippensen in Richtung Sellhorn eine Einzelgrabanlage, die nach Schätzung von Archäologen aus der Zeit etwa 2.000 vor Christus stammt.
Funde in der Anlage deuten darauf hin, daß die Grabanlage noch bis in die jüngere Steinzeit hinein für Urnenbestattungen genutzt wurde.
Der Name Ippensen ist sehr wahrscheinlich auf den schon in spätgermanischer Zeit auftretenden Personennamen Ippo zurückzufiihren. Es könnte sein, daß dort als erster ein Mann mit dem Namen Ippo gesiedelt hat. Schriftliche Aufzeichnungen gibt es aber erst sehr viel später.
1335 tauchte erstmals der Name Yppensen in einem Güterverzeichnis des "Neuen Klosters" bei Buxtehude auf. Um die Zeit wurden schon die Namen Groten- und Lutgen Ippensen genannt. Mit der Ausfertigung des Vörder Registers im Jahre 1498 wird auf Anordnung des Bremer Erzbischofs Johann die "Weltliche Hoheit und die Gerichtsbarkeit" im Stifte Bremen festgestellt. In einem Register sind alle diejenigen Börden und Kirchspiele aufgelistet und beschrieben, die zwar in kirchlicher Beziehung zur Diözese Verden (ist Amtsgebiet des katholischen Bischofs) gehörten, in weltlicher aber unter Erzbischöflich- Bremer Hoheit standen. Dies galt u.a. auch fiir die Börde Sittensen. Das Gebiet des Kirchspiels war zu jener Zeit noch nicht identisch mit der Größe der Börde. Hier ist erstmals die Zugehörigkeit von Ippensen zur Börde Sittensen feststellbar. Der Begriff Börde hängt zusammen mit dem Wort "bören = erheben oder einnehmen". Börde ist demnach die Bezeichnung fiir einen Bezirk, in dem Steuern erhoben (gebört) werden.
Der Begriff Kirchspiel ist abgeleitet von dem sächsischen Wort speIlen, was so viel wie reden oder sagen bedeutet. Kirchspiel, oder auf Plattdeutsch KarkspeIl, ist also ein Gebiet, das man von der Kirche aus mit der Predigt erreichen kann. Heute haben die Gebiete Börde Sittensen, Kirchspiel Sittensen und seit 1974 auch die neue Samtgemeinde Sittensen flächenmäßig dieselbe Zuordnung.
1729 werden die zwölf. Eigentümer von zwölf Häusern in Groß- und Klein Ippensen in einem Register namentlich aufgeführt. Es handelt sich dabei um zehn VoIlhöfner, einen Halbhöfner und einen Brinksitzer = Neusiedler. Bei den genannten Häusern handelte es sich wahrscheinlich um die alten Hausnummern vor 1991 von 1 -11. Wer jedoch der Brinksitzer war, ist unbekannt.
Im Jahre 1788 wurde Groß Ippensen von einer Feuersbrunst heimgesucht. Die Höfe von Heins, Lübbers und Köllers brannten zum gleichen Zeitpunkt ab. Heins Haus wird an einem anderen Standort, auf der anderen Seite der Dorfstraße wieder aufgebaut.
Bei der Betrachtung der Bevökerungsstatistik fallt auf, daß 1791 in Klein Ippensen vier Wohnhäuser vorhanden waren. Geht man davon aus, daß es hier bisher nur drei Vollhöfner gab, muß es sich demnach um den Bau des ersten Häuslingshauses in Ippensen gehandelt haben.
Bei der nächsten Zählung 1859 wurden im ganzen Dorf 31 Wohnhäuser gezählt. Geht man nach der fortlaufenden Durchnummerierung der Häuser und deren Alter, hätten es höchstens 15 sein dürfen. Da die Häuslingshäuser aber nur im Zusammenhang mit der Nummer des Hofeigentümers mit dem zusätzlichen Buchstaben A versehen wurden, muß man zu den Schluß kommen, daß in den Jahren von 1791 -1859 alle Häuslingshäuser der zehn vorhandenen Vollhöfner -insgesamt zwölf Stück an der Zahl -gebaut wurden. Im gleichen Zeitraum machte die Einwohnerzahl von 105 auf 195 einen kräftigen Sprung nach oben.
Bei den Häuslingshäusern handelte es sich um strohgedeckte Fachwerkgebäude, fast alle in derselben Bauart, in denen die Arbeiterfamilien der Bauern frei wohnen durften. In jedem Haus waren außerdem eine Diele, ein Stall fur zwei bis drei Kühe und ein Rind, eventuell ein bis zwei kleine Schweineställe und ein kleiner Hühnerstall vorhanden. Auf der Diele unter der Decke zum Bodenraum wurden im Winter nach dem Schlachten in dem sogenannten "Wiern" Wurst, Schinken und Speck des Bauern und des Häuslings geräuchert. An einem "Spielen" hängend wurden diese Sachen dort mit einem "Geffei" aufgehängt. Für Rauch sorgte anschließend der Häusling. Nach Ende des Räuchervorganges wurde die Wurst zur Aufbewahrung in den oberen Bodenraum gebracht und dort ebenfalls wieder im "Wiern" aufgehängt. Für Katzen und Mäuse war sie hier unerreichbar. So reifte eine Spitzenqualiltät heran, nach deren Genuß sich heute jeder alle zehn Finger ablecken würde.
Außer der freien Wohnung bekam jeder Häusling etwa 16 Morgen Acker und Grünland zur freien Bewirtschaftung. Mit Nahrungsmitteln mußte er sich also weitgehend selbst versorgen. Was er mehr erzeugte, durfte er verkaufen. Als Gegenleistung mußte er das ganze Jahr über auf dem Hof arbeiten.
In der Franzosenzeit von 1803 -1813 wurden Bauern aus Ippensen zum Bau der Napoleonstraße von Paris über Bremen, Scheeßel und Hamburg nach Lübeck mit Hand- und Spanndiensten herangezogen. Außerdem mußten sie sich am Transport von Kriegsgeräten nach Magdeburg beteiligen.
Im Laufe des Jahres 1841 wurde die Verkopplung der Gemeinheit der Feldmark in Ippensen zum Abschluß gebracht. Zur Verteilung kamen 4099 Morgen. Es ist anzunehmen, daß
schon vor 1840, während der Abwicklung des Verfahrens zur Verkopplung der Allgemeinheit, Hausnummern an die vorhandenen Gebäude vergeben wurden. Brandkassenscheine aus der Zeit mit Nummern, die mit den bis 1991 geltenden Hausnummern übereinstimmten, scheinen dies zu bestätigen.
In früherer Zeit bestand der weitaus größte Teil der Gemarkung aus Wald-, Moor- und Heideflächen. Die Jagd spielte stets eine große Rolle bei der Versorgung der dort lebenden Menschen mit Fleisch. Wilddieberei war an der Tagesordnung. 1848 holten die Ippenser Bauern ihre Gewehre, die ihnen kurz vorher wegen Wilddieberei abgenommen worden waren, von ihrem Grundherrn in Burgsittensen zurück. Im gleichen Jahr wurden in Ippensen die letzten zwei Wölfe erlegt.
Zum Schulwesen in Ippensen in jener Zeit wird folgendes berichtet:
Anfänglich gab es 1795 die sogenannte Sonntagsschule in der Kirche zu Sittensen, die auch von den Ippenser Kindern genutzt wurde. Etwa 20 Jahre später bekam Ippensen eine eigene Schule. Unterrichtet wurde in den Winterhalbjahren wechselweise in den Bauernstuben des Ortes, zeitweise auch in einem Backhaus. Später kamen einige Stunden im Sommer hinzu. Die ersten Schullehrer waren von der Gemeinde gemietete Knechte und Tagelöhner, die vom Pastor in Sittensen geprüft wurden und notdürftig schreiben, lesen und rechnen konnten. Der letzte dieser Lehrer war bis 1850 der alte Quellen, der in Dreyershaus in Groß Ippensen mit der alten Hausnummer 13 wohnte. Erst 1848 wurde das erste Schulhaus mit einer 25qm großen Schulstube gebaut. Heutiger Besitzer ist Johann Kaiser mit der alten Hausnummer 14. 1850 wurde der erste in einem Seminar ausgebildete Lehrer eingestellt. Die Unterhaltung der Schule und die Bezahlung des Lehrers war Sache der Gemeinde.
1851 wurden in Groß Ippensen 14 und in Klein Ippensen drei Grundeigentümer (nicht Häuser) gezählt. In jener Zeit war die Schafzucht ein nicht zu unterschätzender Betriebszweig auf den Bauernhöfen, zumal die genügsamen Tiere mit dem, was auf den Moor- und Heideflächen wuchs, zufrieden waren. Fast jeder Bauer hatte einen oder auch zwei Schafställe in der Feldmark stehen. Ein eigens dafur eingestellter Schäfer war für die Herde zuständig. Gerne wurden auch Kinder dafur genommen, die gerade aus der Schule entlassen waren.
1894 war das Gründungsjahr der Molkereigenossenschaft in Sittensen. Ab dieser Zeit brachte ein Milchfuhrmann die Milch auf einen Rollwagen mit vier eisenbereiften Holzrädern dorthin zur Weiterverarbeitung.
Der Bau der Eisenbahnlinie Zeven -Sittensen -Tostedt im Jahre 1913 war wichtig fur den Fortschritt in der gesamten Börde Sittensen. Bis dahin mußten noch alle Güter, wie zum BeIspIel Dünger, auf eisenbereiften Ackerwagen über zum größten Teil unbefestigten Wegen von den Bahnhöfen in Scheeßel oder T ostedt herangekarrt werden. Der neue Weg zur Bahn in Sittensen oder Kuhrnühlen bedeutete eine enorme Zeitersparnis.
Als Folge des 1. Weltkrieges 1914-1918, in Deutschland herrschte größte Not und Arbeitslosigkeit, kamen etliche Leute aus dem Ruhrgebiet (Gelsenkirchen) nach Ippensen in der Hoffnung, hier eventuell Arbeit auf dem Lande zu finden und so der Hungersnot in den
Städten zu entrinnen.
Der erste Weltkrieg hatte große Opfer gefordert. 13 Soldaten kehrten nicht in ihr Heimatdorf zurück. Zu Ehren der Gefallenen wurde ein Denkmal errichtet und 1922 feierlich eingeweiht. Bis zum 1. Weltkrieg waren in Ippensen so gut wie keine befestigten Wege vorhanden. Die Wegeverhältnisse waren miserabel. 1919 wird als erstes die Dorfstraße geptlastert.
1921 ist es in dem 1848 errichteten Schulhaus zu eng geworden. Ein neues Schulgebäude mit einem größeren Klassenraum und einem Nebenzimmer sowie mit einer Lehrerwohnung
wird in diesem Jahr gebaut.
Eine schwere Wirtschaftskrise lähmt in den 20' er Jahren das Leben in der Stadt und auf dem Lande. Auch noch nach 1920 versucht man mit Zwangsablieferung von Vieh und Getreide den Versorgungsnotstand in den Griff zu bekommen. Die Arbeit in der Landwirtschaft erfordert Handarbeit und Muskelkraft. Die Arbeit auf dem Lande ist schwer, und daher werden verhältnismäßig viele Arbeitskräfte gebraucht. Auf jedem Bauernhof sind mindestens ein Häusling, ein Groß- und ein Kleinknecht sowie eine Groß- und eine Kleinmagd beschäftigt. Dazu kommt die Arbeitskraft des Bauern und der Bäuerin. Einige neue Anbauerstellen entstehen in diesen Jahren durch Abspaltung von den Stammhöfen bzw. Erbschaft.
Als zweiter Schritt zur Befestigung der Wege erfolgt 1928 die Fertigstellung des schon lange geplanten alten Kirchweges von Groß Ippensen, am heutigen Sportplatz vorbei nach Sittensen mit Kopfsteinpflaster. Eine erste gute Verbindung zur Außenwelt war geschaffen, und man verspricht sich davon einen Aufschwung fur das ganze Dorf. Am 4. August 1928 wird dieses Ereignis mit Musik und Tanz, Köhm, Freibier sowie Kaffee und Kuchen auf dem Hof von Mattens bis in die frühen Morgenstunden gebührend gefeiert.
1929 wurden die ersten zwei Häuser an der neuen Straße, etwa auf halbem Wege nach Sittensen, kurz vor der Gemarkungsgrenze gebaut. Dies ist die Entstehung des heutigen Ortsteiles Ippensen-Süd. Ebenfalls in diesem Jahr erfolgt die Befestigung einer Wegstrecke von Klein Ippensen in Richtung Hohenhausen.
1933 begann die Zeit des Nationalsozialismus (1933-1945). Auch in unserem Dorf hatte die Partei alles fest im Griff. Der Bürgermeister wurde in diesen Jahren nicht mehr gewählt. Er wurde einfach von der Partei bestimmt und eventuell auch wieder abgesetzt.
Ende der 30' er Jahre erreichte die beginnende Motorisierungswelle unseren Ort. Ein erster Trecker (Lanz Bulldog) kam in der Landwirtschaft zum Einsatz. Der Dorfschullehrer fuhr ein Motorrad mit Beiwagen und funf Bauern besaßen ein Personenauto. Opel, DKW, Wanderer und Ford waren die derzeitigen Marken. Der Volkswagen (Käfer) aus Wolfsburg konnte zu der Zeit schon bestellt werden. Die Auslieferung erfolgte jedoch nicht mehr, weil mit Ausbruch des 2. Weltkrieges die gesamte Produktion dringend fur die Kriegsfuhrung der Wehmlacht benötigt wurde. Hin und wieder bekam man auch schon Ackerwagen mit Gummibereifung zu sehen. Ende 1938 wurden in Ippensen 35 Häuser und 236 Einwohner gezählt.
Der 1. September 1939 war der Beginn des Zweiten Weltkrieges (1939 -1945). Alle wehrpflichtigen Männer ab 17 Jahre, teilweise auch schon ab 16, wurden im Laufe des
Krieges zur Wehmlacht eingezogen. Fast alle vorhandenen Autos, aber auch einige Pferde samt Geschirr und Wagen wurden von der Wehrmacht beschlagnahmt.
Weil die Landwirtschaft dringend gebraucht wurde, um die Versorgung der Menschen mit den nötigen Nahrungsmitteln sicherstellen zu können, wurden französische und russische Kriegsgefangene sowie sogenannte Fremdarbeiter aus Polen und Belgien auf den Höfen eingesetzt. Not und Elend brachte der Krieg über unser Land. Unübersehbar waren die großen Zerstörungen und Verwüstungen in Deutschland und Europa. Noch schmerzlicher waren die vielen Toten, die Opfer dieses sinnlosen Krieges wurden. Auch an unserem Ort .ging der Krieg nicht spurlos vorüber. 18 Soldaten fielen auf den Schlachtfeldern Europas. Am 19. April 1945 erreichten erste englische Panzerspähwagen unser Dorf und kündigten damit das Ende des Krieges an. Durch die Flüchtlingsströme Ende 1944/ Anfang 1945 aus den Ostgebieten wuchs die Zahl der Einwohner von 236 auf über 400 an. Eine große Enge herrschte in allen Häusern. Rund 200 Menschen, die heimatlos geworden waren, mußten aufgenommen werden. Zwangswirtschaft prägte das Leben 1m Krieg und auch noch In den Nachkriegsjahren. Bezugsscheine und Lebensmittelkarten gehörten zum täglichen Leben. Hungernde Städter kamen in die Dörfer, um im Tausch Eßbares zu bekommen. Nur langsam erholte sich das Land von den geschlagenen Wunden. Die Reichsmark verlor ihren Wert. Einhergehend mit dem Zerfall der Währung ersetzten zunehmend Tauschgeschäfte den sonst üblichen Handel "Geld gegen Ware". Nach der Währungsreform am 21. Juni 1948 ging es wieder aufwärts. Erste Häuser wurden im Ort gebaut, zum Teil von Leuten, die es nach den Kriegswirren hierher verschlagen hatte.
Die zahl der Einwohner verminderte sich bis 1956 wieder auf 275. Die Flüchtlinge waren zum größten Teil nach und nach in andere Regionen in Süd- und Westdeutschland abgewandert. Gründe fur deren Abwanderung waren zum Teil eine andere Konfessionsangehörigkeit. Meistens waren es aber wohl die hier fehlenden Arbeitsmöglichkeiten. Ippensen war ein Ort, wo die Landwirtschaft das Leben bestimmte.
Ab den 50 'er Jahren ging die Ara des Häuslings zu Ende. Die Häuser waren inzwischen weit über 100 Jahre alt geworden und wurden in den folgenden Jahren abgerissen. Nur wenige Häuser wurden umgebaut oder modernisiert. Sie sind aber in der heutigen Form nicht mehr als die Häuser von der Entstehungszeit her erkennbar. In den Folgejahren kam die Arbeiterfamilie auf den Höfen als Deputalarbeiter auf. Dieser erhielt einen Teil seines Lohnes in bar. Der andere Teil wurde ihm in Form von Sachwerten (mietfreie Wohnung, Milch, Butter, Kartoffeln und auch Fleisch) gewährt. Die neu errichteten Häuser für die Familien waren nunmehr reine Wohnhäuser.
In der Zeit von 1945 bis heute, also in gut 50 Jahren, vollzog sich ein Wandel in der
Landwirtschaft, wie man ihn nicht für möglich gehalten hätte. Sowohl in baulicher wie auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht. Die Bauern hatten Mühe mIt der Entwicklung Schntt zu halten.
Ende des Krieges waren die Bedingungen in groben Zügen folgende:
Mit Pferden mußten alle Außenarbeiten verrichtet werden. Dementsprechend waren die Gerätschaften vorhanden. Pflug, Egge, Mähmaschine fur zwei Zugpferde -zum Teil wurde
noch mit der Sense gemäht, Walze und Hungerharke waren die Hauptgeräte. Etwa funf bis sechs Arbeitskräfte waren erforderlich, um in mühseliger Handarbeit die Arbeit auf den
Höfen zu verrichten. Mindestens um 5.00 Uhr morgens hieß es Aufstehen und um 7.00 Uhr abends war Feierabend, im Winter vielleicht etwas eher. Um 6.00 Uhr morgens kam der Milchwagen, um die Milchkannen zur Molkerei zu bringen. Zuvor mußten alle Kühe mit der
Hand gemolken sein. Jeden Morgen wurde der Schweinestall ausgemistet, der Kuhstall zweimal. Die Kühe wurden dreimal am Tag gemolken, frischgekalbte viermal. Mistfahren, besonders aus den Pferdeställen, und das anschließende Verteilen auf dem Acker mit der
Forke war harte Knochenarbeit.
Kartoffeln und Rüben wurden nach der Ernte draußen in Mieten eingelagert und mit Stroh, Erde und Laub frostsicher abgedeckt. Zur Erntezeit wurde das Getreide gemäht, zu Garben
gebunden und anschließend in Hocken aufgestellt. Nach etwa 14 Tagen, wenn die Garben gut trocken waren, wurden sie mit Pferd und Wagen in die Scheune gefahren und dort gelagert. Im Winter mußte dann alle 14 Tage gedroschen werden. Das Korn wurde gemahlen und an das Vieh verfuttert. Roggenschrot wurde außerdem zum Schwarzbrotbacken benötigt. Jeden Sonnabend wurde im Wechsel mit dem Nachbarn Butterkuchen und Feinbrot gebacken. Schwarzbrot hielt 14 Tage vor.
Das gedroschene Korn mußte in ein bis zwei Zentner schweren Säcken auf dem Rücken zum Kornboden hochgetragen und das Stroh anschließend mit der Forke auf den Boden des
Viehstalles gereicht werden. Wochenlang war man im Sommer mit der Heuernte beschäftigt. Bei ungünstigem Wetter mußte das Heu x-mal mit der Holzharke gewendet werden, um es dann endlich trocken einfahren zu können und anschließend mit der Forke durch die Bodenluke auf der Diele auf den Heuboden zu bringen.
Mit der Versorgung von Heizmaterial war man das ganze Jahr über beschäftigt. Der Monat Mai war die Zeit des Torfgrabens. Je nachdem, ob es Soden oder Klutzen werden sollten, wurde mit einem Torfspaten oder einem nonnalen Spaten gegraben. Anschließend wurde der Torf auf geringelt und im Spätsommer, wenn er trocken war, in die Torfscheune gefahren. Zusätzlich wurde im Winter Feuerholz gemacht. Die Woche bestand immer aus sechs Tagen harter Arbeit. Selbst am Sonntag war kaum Zeit zu Ausruhen.
Etwa ab 1950 kam die Motorisierungs- und Modernisierungswelle, die 1939 mit Beginn des zweiten Weltkrieges ins Stocken geraten war, wieder in Fahrt. Die Zugkraft der Pferde wurde durch Trecker ersetzt. Waren es am Anfang noch ScWepper mit 15 -25 PS, so wurden diese mit der Zeit immer stärker und größer mit 100 PS und mehr. Mit der Stärke der Schlepper wuchs die Größe der Anhängegeräte. Aus dem Einscharpflug wurde ein Sechsscharpflug, aus dem Schlenderroder ein moderner Kartoffelvollernter, aus der einfachen Getreidemähmaschine über den Selbstbinder ein moderner Mähdrescher und aus dem hochrädrigen. Schottwagen wurde ein moderner Dreiseitenkipper mit 150 Zentnern Tragkraft und darüber. Mit der Große der Maschinen stellte sIch aber auch Immer mehr dIe Frage der Finanzierbarkeit. Weil die Maschinen zum Teil nur fur einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum im Jahr genutzt werden konnten, waren sie zu teuer. Die Gründung von Maschinengemeinschaften innerhalb des Dorfes und der überörtlichen Maschinenringe lösten das Problem.
Ab 1950 wurden die ersten neuen Autos und Motorräder im Ort zugelassen. Ihre Zahl steigt von Jahr zu Jahr. Mit den Neufahrzeugen einhergehend entstehen ständig neue und bessere Verkehrswege in unserem Ort und umzu.
Ende der 50 'er Jahre beginnt Heizöl Torf und Holz als Heizkraft abzulösen. Neubauten werden mit Ölheizungen ausgestattet, Altbauten nach und nach umgerüstet. Die Moortlächen haben damit ihren Wert gegenüber früher verloren. Immer modernere Elektrogeräte erleichtern den Bäuerinnen die Arbeit in den Haushalten. Melkmaschinen beginnen das Leben im Kuhstall zu verändern. Das Melken mit Hand entfallt.
In der Zeit um 1960 war Ippensen ein traditionelles Anbaugebiet fiir Kartoffeln. Insbesondere auf Saatkartoffeln hatte man sich spezialisiert. Eine große Arbeitserleichterung bedeutete der Bau der Kartoffelscheunen in jenen Jahren. Das arbeitsaufwendige Einmieten der Kartoffeln und teilweise auch der Rüben hörte auf. Ein weiterer Vorteil war, daß man jetzt zu jeder Zeit, auch bei Frostperioden im Winter, Zugang zu den Kartoffeln hatte. Ab 1964 wurde die Milch von einem Tankwagen der Molkerei in Sittensen abgeholt. Die Milch durfte nur noch gekühlt angeliefert werden. 1964 war auch das Gründungsjahr des Wasser- und Bodenverbandes Kuhbach. Mit dem Ausbau des Kuhbachs und seinen Nebengräben konnten die meisten Gebiete der Gemarkung dräniert werden und damit neue Flächen fur die Landwirtschaft erschlossen werden.
Nach Fertigstellung der Mittelpunktschule in Klein Meckelsen wurden die Schüler der unteren Jahrgänge unseres Ortes ab 1966 in der dortigen neuen Schule unterrichtet. Die Ippenser Schule wurde geschlossen.
Eine Folge der Gebietsreform 1974 ist der Zusammenschluß der Ortsteile Ippensen und Vierden zur neuen Gemeinde Vierden. 1975 baute Klaus Burfeind den ersten Boxenlaufstall in Ippensen. Schon in den Vorjahren waren die derzeitigen Viehställe mit Güllekanälen ausgestattet und immer wieder modernisiert worden. Nun entwickelte sich eine ganz neue Art der Rindviehhaltung. Die Anbindevorichtungen verschwanden. Stroh für die Einstreu wurde nicht mehr benötigt. Mais- und Grassilage waren Grundlage einer neuen Fütterungsart. Die aufwendigen Arbeiten des Heurnachens und Rübenanbauens hörten auf. Der Computer hielt Einzug auf den Höfen. Güllesilos wurden gebaut, um die Gülle effektiver als Dünger einsetzen zu können und damit auch die Umwelt zu schonen. Ein moderner Melkstand ist Bestandteil der neuen Boxenlaufställe.
All die Veränderungen von 1945 bis heute bewirkten, daß keine fremden Arbeitskräfte mehr in den landwirtschaftlichen Betrieben benötigt werden. Die heutigen Vollerwerbsbetriebe sind reine Familienbetriebe. Was sich vorher in Jahrhunderten kaum verändert hatte änderte sich dann schlagartig. Die Entwicklung und der Fortschritt in den 35 Jahren von 1945 - 1980 hatten es möglich gemacht, daß die Arbeitswelt in der Landwirtschaft sich derartig verändern konnte.
Ab 1989 entstehen die ersten Wohnhäuser im Neubaugebiet Ippensen-Farrn.
1991 geht die Einwohnerzahl mit 250 fast wieder aufVorkriegsstand zurück.
Weitere Einzelheiten aus der Vergangenheit unseres Dorfes sind nachzulesen in einem Buch von Hartrnut VolImer mit dem Titel: "Aus der Geschichte der bei den. Dörfer Vierden und Ippensen". Ab 1991 wird eine Dorfchronik fur unseren Ort getrennt weitergefuhrt.